Theoretischer Hintergrund:
Achtsamkeitstraining und Achtsamkeitsmeditation, wie wir es heute aus der Anwendung in achtsamkeitsbasierten psychologischen Therapien kennen, hat seinen Ursprung im Buddhistischen.
Vipassanā (pali „Einsicht“) bezeichnet im Buddhismus die „Einsicht“ in die drei Daseinsmerkmale Unbeständigkeit (anicca), Leidhaftigkeit bzw. Nichtgenügen (dukkha) und Nicht-Selbst (anatta).
Der Übungsweg zur Entfaltung dieser Einsicht wird als „Einsichtsmeditation“ (vipassanā-bhāvanā), bezeichnet, ein Weg, um das durch Nichtsehen (avijjâ) und Verblendung (kilesa) verursachte Leiden (dukkha) zu überwinden und um im Leben die Befreiung des Nirwana zu erlangen. Vipassana ist somit stark diesseits orientiert.
Die Vipassana- Praxis und das Erreichen ihrer Ziele ist jedoch grundsätzlich an keine Religionszugehörigkeit gebunden. Vipassana- Meditation wird auch von Nicht- Buddhisten ausgeübt. Wesentlicher Teil der verschiedenen Schulungsmethoden ist die Übung von Achtsamkeit (sati).
Anwendung in der Psychologie – Achtsamkeitsmeditation und Achtsamkeitstraining:
In der Psychologie als Methode zur Loslösung von Gedanken, die negative Gefühle, also Leiden schaffen, eingesetzt wird Vipassana- Meditation „Achtsamkeitsmeditation“ statt Einsichtsmeditation genannt.
Achtsamkeitsmeditation wird erfolgreich bei Stressbelastung, Anspannnung, Ängsten, Grübelzwängen, Burn Out, Depressionen, Suchtproblemen, Essstörungen u.v.m. aber auch bei psychosomatischen Beschwerden, Schmerzzuständen und Tinnitus eingesetzt.
Die Achtsamkeitsmeditation in der therapeutischen Anwendung bedient sich einer Weiterentwicklung einiger in der buddhistischen Tradition angewendeten Methoden, nämlich Atembetrachtung, Körperbetrachtung (Body Scan), Sitzmeditation und einfacher Körperübungen, wie achtsames Gehen. Einige Körperübungen sind dem Yoga entnommen.
In der Anwendung von Achtsamkeitsmeditation wird weitgehend auf buddhistische Fachbegriffe verzichtet. Die Schulung der Achtsamkeit kann so weitgehend unabhängig von kulturellen und religiösen Hintergründen der Teilnehmer erfolgen. Die Schulung der Achtsamkeit kann durch Alltagsaufgaben zur Übung von Achtsamkeit unterstützt werden, das heißt, Meditieren zu Hause.
Achtsamkeitsmeditation:
In der Achtsamkeitsmeditation ist es Ziel, achtsam im Hier und Jetzt zu bleiben, wahrzunehmen, was man gerade erlebt, was man denkt und fühlt, was man am Körper spürt, wie es einem geht, was man braucht.
In der Konzentration auf den Moment wendet man sich von Gedanken ab, die einen vom Hier und Jetzt fortführen, die das Wohlbefinden stören, z. B. wenn man Angstgedanken denkt, gestresst ist und ständig an zu erledigende Dinge und Sorgen denkt, wenn man traurig ist und oft grübelt, bzw. wenn man unter Verspannungen, Schmerzen oder Tinnitus leidet oder auch, wenn man sich häufig Nebengeräusche und visuelle Reize schafft wie Radio, Fernsehen, Handy, Internet etc., und sich nicht in Ruhe auf eine Aufgabe konzentrieren kann oder Entspannung und einfach Nichtstun genießen kann.
Man lernt ausschließlich im Moment zu bleiben, im Hier und Jetzt Moment, anstatt mit den Gedanken in der Vergangenheit oder Zukunft zu verweilen, was negative Gefühle hervorrufen kann, für unsere PatientInnen oft Auslöser für massive Krisen. Dies wird zunächst mit einfachen Übungen erreicht, wo man sich mit den verschiedenen Sinnen auf verschiedene Reize konzentriert.
In der Achtsamkeitsmeditation übt man zum Beispiel, achtsam auf bestimmte Geräusche zu hören, beim visuellen Betrachten achtsam wahrzunehmen, was man ohne zu interpretieren nur beschreiben kann, oder auf bestimmte Körperempfindungen in bestimmten Körperregionen hin zu spüren. Man hat Gelegenheit, an einer Meditation in Form von gemeinsamen Sitzen in der Stille und Meditation im Gehen teilzunehmen, einer Möglichkeit, Achtsamkeit im Hier und Jetzt ohne verstärkt bewegte Elemente zu erlernen, wie sie im Achtsamkeitstraining (siehe unten) verwendet werden.
Zu den populären modernen Anwendungen des Vipassanā gehört vor allem das komplementärmedizinische Behandlungsprogramm MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) des Amerikaners Jon Kabat- Zinn. Dies fördert den Stressabbau und kann die Behandlung von psychosomatischen Leiden unterstützen. MBSR wird heute an vielen amerikanischen Kliniken eingesetzt und auch zunehmend in Europa. Ein typisches MBSR-Programm dauert acht Wochen und besteht aus Atembetrachtung, Body-Scan (Körperbetrachtung), Sitzmeditation und einfachen Körperübungen, wobei sich die Teilnehmer verpflichten, mindestens 45 Minuten pro Tag zu üben.
Achtsamkeitstraining:
Im Unterschied zur Achtsamkeitsmeditation wird das im Skills-Training vermittelte Achtsamkeitstraining für unsere PatientInnen zusätzlich unter Einsatz von Bewegungselementen und therapeutischen Hilfsmitteln speziell für den Einsatz bei körperlich stark spürbaren heftigen Gefühlszuständen in Krisen angeboten.
Die amerikanische Psychologin Marsha M. Linehan hat ein stützendes Therapieprogramm entwickelt, das für viele psychischen Beschwerden eingesetzt wird und Strategien und Techniken aus verschiedenen Therapieschulen (Verhaltenstherapie, humanistische und körperorientierte Therapieformen der Gestalttherapie, Hypnotherapie) sowie fernöstliche Meditationstechniken beinhaltet. Meist in einem Gruppentraining erlernen die Patienten spezielle Fertigkeiten, sogenannte „Skills“, um zu einer inneren Achtsamkeit zu kommen, einen bewussten Umgang mit den eigenen Gefühlen zu erlangen, Stresstoleranz aufzubauen und um im zwischenmenschlichen Bereich besser zurechtzukommen. Zu den verwendeten Methoden gehört Achtsamkeitstraining, speziell kann auch Achtsamkeitsmeditation angewendet werden.